24 Jahre hat Ridley Scott gebraucht, um seinen Kult-Klassiker und fünffachen Oscar-Preisträger Gladiator fortzusetzen. Dieser lange erwartete Film soll im Kino jetzt richtig einschlagen. Doch so wirklich klappen tut das nicht – ob es da nicht besser gewesen wäre, die Filmreihe ein für alle mal zu beerdigen? Eine Kritik zu Gladiator 2.
Filmkritik zu Gladiator 2 von Ridley Scott
Vor 24 Jahren wagte Meister-Regisseur Ridley Scott ein Experiment: Die lange vergessenen Monumentalfilme und Sandalen-Epen sollten ihr Comeback auf der großen Leinwand feiern. Knapp 40 Jahre zuvor, in der Hochzeit eben jener Genre-Filme dominierten Streifen wie Cleopatra, Spartacus oder “Die zehn Gebote” nicht nur die Leinwände, sondern auch die Einspielkassen der großen Hollywood-Studios.
Doch allmählich wurden diese dann nicht nur durch die immer beliebter werdenden Western, sondern auch eine ganz neue Ära in der Traumfabrik verdrängt: New Hollywood startete eine Art Comeback des Auteur-Films und brachte Meisterwerke wie “Der Weiße Hai”, “Halloween” oder “Die Nacht der Lebenden Toten” hervor.
Einer der ganz großen der New Hollywood-Ära war eben auch Ridley Scott, der sich mit Werken wie Alien und Blade Runner einen Namen machte. Relativ abwegig war es da dann eigentlich, dass ausgerechnet einer der “jungen Wilden” in seinen späteren Jahren wieder zurück zu den Monumentalfilmen wollte und mit Gladiator im Jahr 2000 dann nicht nur einen spektakulär inszenierten, sondern auch äußerst erfolgreichen Film erschuf.
24 Jahre später soll der jetzt fortgesetzt werden. Zwar waren schon die Trailer durchaus fragwürdig inszeniert, aber die Hoffnung bestand weiter. Als ich gestern aus der Vorstellung gekommen bin, war ich sprachlos. Ob das gut oder schlecht ist, erfahrt ihr in meiner Kritik…
Ich bin enttäuscht
Zunächst sollte ich wohl einige Worte zu meinem Verhältnis zu Gladiator und Ridley Scott loswerden: Ich mag Ridley Scott. Okay, ich kenne ihn jetzt nicht persönlich, aber ich mag zumindest seine Filme. Manche davon liebe ich sogar. Manche davon würde ich als zeitlose Meisterwerke bezeichnen.
Mit Alien hat der Brite einen der besten Horrorfilme aller Zeiten erschaffen. Blade Runner gilt bis heute als Meilenstein des Science-Fiction-Kinos. Und auch für Glaidator hat er damals ja fünf Oscars gewonnen. Der Antiken-Film mit Russel Crowe zog gleich eine ganze Reihe ähnlicher angelegter Filme nach sich – von Troja bis Alexander. Ich muss allerdings zugeben, dass ich Gladiator zwar großartig fand, ihn aber aufgrund seiner Story, die auch auf einen Bierdeckel gepasst hätte und der Klischee beladenen Charaktere nicht als Meisterwerk bezeichnen würde.
Vor Kurzem hab ich dann auch noch ein Interview im Hollywood Reporter mit dem Altmeister hinter Alien, Blade Runner und Gladiator gelesen. Und da hat mich Ridley Scotts Philosophie des Filmemachens dann doch etwas entgeistert: Seine Filme hätten zwar schon immer einen gewissen intellektuellen Anspruch, seien aber vor allem auf ein Massenpublikum ausgerichtet. Mit dem Gedanken dieser Philosophie im Hinterkopf bin ich also in Gladiator 2 gegangen. Und habe schnell gemerkt: Ja, diese Philosophie ist hier ganz stark erkennbar. Und hat mich im Kinosaal richtig, richtig angekotzt. Doch was meine ich damit?
Gladiator 2 ist pompöses Popcornkino
Die Inszenierung von Gladiator 2 spielt nicht nur Genre- sondern auch Scott-typisch natürlich wieder bei den ganz Großen mit. Das Antiken-Epos ist ein Film mit großen Ambitionen, er will uns epische Schlachten, brutale Arenakämpfe und detaillierte römische Städte präsentieren. Das klappt auch teilweise sehr gut.
Die riesigen Arenen, allen voran das Kolosseum in Rom, sind natürlich das Highlight des Films. Wie auch die Zuschauer in selbigen Arenen scheinen die Gladiatorenämpfe eine seltsame Faszination auf uns auszuwirken. Das blutige Kämpfen und noch blutigere Töten entfachen einen Sog des Grauens in wohl jedem, der diesem Spektakel zusieht. Die gleichzeitige Faszination am Alten, Epischen und Antiken macht Gladiator 2 vor allem für Historienfans zum Spektakel.
Auch wenn Ridley Scott natürlich durchaus für seine Ungenauigkeiten mit der Geschichte gescholten wird. Erst letztes Jahr wurde sein Film Napoleon für die Darstellung des gleichnamigen Protagonisten kritisiert. Hier in Gladiator dürfte einiges in die Antike interpretiert und wieder anderes völlig frei erfunden sein. Keineswegs jedoch stellt das die grandiosen Bilder dieses Monumentalfilms in Frage. Vielmehr ist es umso tragischer, dass diese Inszenierung nicht auch durch eine gute Story, glaubwürdige Charaktere und zumindest den Versuch von Schauspielerei einiger Darsteller gestützt wird…
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Publikumsbeschimpfung
Ridley Scott zeigt immer wieder einen Mix aus Gladiatorenkämpfen und der gleichzeitigen Reaktion der Zuschauer auf diese Kämpfe. Er will die Zuschauer als einfältig, leicht ablenkbar darstellen. “Brot und Spiele” für die Massen, um vor Korruption, Missständen und sozialer Ungleichheit die Augen zu verschließen.
Allerdings verspottet er mit dieser Darstellung auch uns Zuschauer im Kino, die das inhaltslose Spektakel von Gladiator 2 ja ebenfalls abfeiern. Wir bekommen hier kein intellektuelles, anspruchsvolles Drama präsentiert, sondern eine altbekannte, stumpfe Rache- und Aufstiegsgeschichte. Neu ist daran nichts, spektakulär, wenn, dann nur die Bilder. Wobei auch die von künstlerischer Vielfalt oder Kreativität in vielen Momenten kaum zehren. Anders war das in diesem Jahr bei einem ganz anderen Film, dem ich in meiner Kritik die Höchstpunktzahl gegeben habe.
Gähn-Geschichten
Dass dabei im Prinzip die gleiche Geschichte wie die des ersten Teils einfach nochmal erzählt wird, ist fast schon nebensächlich, aber umso trauriger. Gladiator 2 arbeitet sich an den gleichen großen Plotpoints des Vorgängers ab und ist dabei so ideenlos, wie man es heutzutage von Hollywood-Blockbustern leider erwartet. Obwohl Ridley Scott mit Pedro Pascal (The Last of Us, Game of Thrones) und Paul Mescal (Normal People, Aftersun) gleich zwei A-Lister aus der Traumfabrik verpflichtet hat, können die Russel Crowe aus dem ersten Film nie wirklich das Wasser reichen.
Das liegt aber gar nicht unbedingt an der schauspielerischen Leistung der beiden. Vielmehr verpasst Scott es, Lucius und Marcus Acacius als eigenständige Charaktere zu etablieren. Wie auch bei den zwei sadistisch angehauchten Imperatoren Geta und Caracalla werden hier zwei Figuren aus dem ersten Teil quasi aufgeteilt, gespalten in zwei neue Figuren. Das ergibt vier Charaktere, die eigentlich die Rolle von zwei verkörpern. Commodus wird auf die beiden Imperatoren in Rom gesplittet, Maximus auf Lucius und Marcus.
Diese Aufteilung ist nur ein Symptom eines viel größeren Problems, das dieser Film mit sich trägt: Er steht vollkommen im Schatten seines großen Vorgängers. Gladiator hatte anno 2000 mehrere Oscars gewonnen, wurde als Meisterwerk gefeiert und mit einem riesigen Einspielergebnis belohnt. Gladiator 2 versucht vergeblich, diese Fußstapfen zu füllen, schafft das aber nie.
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Wenig Originalität, viel Nostalgie
Schon von Anfang an wird klar, worum es Ridley Scott und seinen Drehbuchautoren in Gladiator 2 geht: Sie wollen uns mit Nostalgie im Kino abholen. Die ersten Minuten sind gefüllt von Bezügen zum ersten Teil, sodass sogar die animierte Intro-Sequenz uns sozusagen nochmal Gladiator nacherzählt.
Die ständige Bezugnahme zum Vorgänger tut Gladiator 2 aber gar nicht gut. Wenn er dann mal versucht, für sich alleine zu stehen, wirkt der Film verloren mit dieser Bürde des Vorgängers. Das rührt auch daher, dass ich zumindest im Kino nie emotional von den Figuren oder der Story abgeholt wurde. Zwar wird ständig versucht, das Epische, das Monumentale mit einem brachialen Soundtrack von Hans Zimmer und – zumindest teilweise – epochalen Bildern einzufangen.
Trotzdem bleiben die Figuren zu blass, zu sehr orientiert, nein, eigentlich fast schon kopiert vom Vorgänger. So kann Gladiator 2 nie eine eigene Identität entwickeln. Trotz einiger ansehnlicher Schauwerte bleibt der Film also klar hinter den Erwartungen zurück. Für Ridley Scott sollte das aber ein Zeichen sein, fortan alte Filmreihen, die keinen Nachfolger mehr brauchen, einfach ruhen zu lassen (looking at you, Alien).
Gladiator 2 ist ein Monumentalfilm, das bestätigen die teils epochalen Bilder. Trotzdem kann er sich nie von seinem eigenen Vorgänger emanzipieren, teilt Charaktere wirr auf und findet nie zu einer befriedigenden Handlung. Für Popcorn-Kino reicht das gerade noch so, an die Klasse des ersten Teils kommt Gladiator 2 aber zu keinem Zeitpunkt heran.
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Bewertung:
2
Gladiator 2 startet am 14. November 2024 in den deutschen Kinos.
© Copyright aller Bilder bei Paramount Pictures.