Keine Zeit zu sterben Kritik: Was nun, Mr.Bond?

Keine Zeit zu sterben läuft momentan in den Kinos und ist der letzte Bond-Film mit Daniel Craig. Doch wie gut ist der neue 007-Streifen und welches Vermächtnis hinterlässt er? Meine Kritik zum Film.

Lesezeit: ca. 8 Minuten

Um was geht’s?

Am Anfang des Films lernen wir in einer Rückblende Safin (Rami Malek) kennen, der ein abgelegenes Haus in Norwegen besucht und dort nach Mr. White fragt. Dieser habe seine ganze Familie ausgelöscht. Als er jenen nicht finden kann, tötet er dessen Frau und sucht deren Tochter Madeleine. Das Kind schießt auf ihn und schleppt den vermeintlichen Toten auf den zugefrorenen See. Safin kommt jedoch wieder zu sich und Madeleine flüchtet weiter hinaus auf die Eisfläche. Als das Eis bricht und das Mädchen zu ertrinken droht, entscheidet Safin sich jedoch, sie zu retten.

Nachdem es James Bond (Daniel Craig) im letzten Film mit der mysteriösen, weltumspannenden Verbrecherorganisation Spectre zu tun bekam, hat er sich nun aus dem Geheimagentenleben zurückgezogen. Zusammen mit seiner Geliebten Madeleine Swann (Lea Seydoux) lebt er zurückgezogen und genießt sein neues (altes) Leben. Doch als er im Urlaub das Grab seiner großen Liebe Vesper besucht, entkommt er nur knapp einem Anschlag von Spectre. Er verdächtigt Madeleine, mit der Geheimorganisation unter einer Decke zu stecken und trennt sich von ihr.

Fünf Jahre später überfallen Unbekannte ein Labor in London. Sie bringen den Wissenschaftler Obruchev in ihre Gewalt und stehlen die Biowaffe „Herakles“, an deren Entwicklung Obruchev maßgeblich beteiligt ist. Bond genießt auf Jamaika seinen Ruhestand. Als ihn sein alter Freund, der CIA-Agent Felix Leiter mit seinem Kollegen Logan Ash aufsucht, wollen diese ihn überzeugen, Obruchev zurückzuholen. Schließlich entscheidet sich James dazu, an einer Mission zur Rettung der Menschheit teilzunehmen und seine Vergangenheit holt ihn ein.


Filmkritik zu Keine Zeit zu Sterben

Was ist Bond eigentlich für mich? Nun, zunächst mal muss ich gestehen, dass ich bis auf die Filme der Daniel Craig Ära eigentlich nur wenige andere Streifen der Reihe gesehen habe. Immer mal wieder im Fernsehen mitbekommen habe ich sie schon, aber wirklich bewusst geschaut habe ich bisher nur die neusten Bond-Filme. Und mein Eindruck, dass die Action, die Schießereien und die Verfolgungsjagden ein wichtiger Grund für den Erfolg des Franchises sind, hat sich bestätigt. Ohne sich wäre ein Bond-Film kein Bond-Film, sondern oftmals vermutlich einfach ein 0815-Drama.

Und genau deshalb ist die Action in allen Filmen der Reihe eigentlich das Herzstück. Wenn sie nicht richtig funktioniert, dann funktioniert auch der Film nicht gut. Das war beispielsweise bei Ein Quantum Trost (2008) der Fall. Zwar hatte der Film noch sehr viele andere Probleme, ist aber sozusagen schon am Grundriss eines guten Bond-Films, nämlich der Qualität der Action, gescheitert. Und dadurch wurde dieser Film für mich zum schlechtesten der Daniel Craig Ära (nachzulesen auch hier bei meinem Bond-Ranking).

Das gleiche Problem, wenn auch nicht im selben Ausmaß, plagt auch den neuen James Bond. Zwar ist die Action in ihrer Machart auf einem, im Vergleich zu Ein Quantum Trost, besseren Niveau. Jedoch scheitert sie an der Inhaltsleere, ihrer Beliebigkeit und ja, auch an der wenig gehaltwollen Art der Inszenierung. Ehrlich gesagt kann ich mich nur an wenige Actionmomente des neuen Bond-Abenteuers tatsächlich noch erinnern, obwohl der Kinobesuch erst wenige Tage her ist.

Das liegt an oben genannten Schwächen, aber auch an der Annäherung an zeitgenössische Action-Blockbuster wie den Marvel- oder Fast-and-Furious-Filmen. Die liefern zwar alle ein Action-Feuerwerk, hinter all dieser Action offenbart sich aber ein völlig sinnbefreites, ja geradezu leeres Bild des Films. Was ich damit sagen will, ist eigentlich ganz einfach: Zwar ist es nichts neues, dass viele der Action-Szenen in Bond-Filmen für den Selbstzweck im Film sind, jedoch haben sich diese Action-Szenen zuletzt in Ein Quantum Trost so belanglos und gleichzeitig gewollt angefühlt wie nun in Keine Zeit zu sterben.

Trotzdem muss ich sagen, dass es dann doch einige Einstellungen gab, die mir gefallen haben. Immer wenn es handgreiflich und roh zur Sache geht, spielt Bond seine Stärken aus. Da wird dann gerne auch draufgehalten, anstatt einfach wild zu schneiden (ich schaue auf dich, Mile 22). Auch einzelne Action-Setpieces, wie das Gleitflugzeug, das zugleich ein Unterseeboot ist, sind interessant und beeindruckend. Es ist also nicht die gesamte Action so, wie oben beschrieben. Aber eben ein großer Teil.

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Keine Zeit für Liebe, aber für Gefühle!

bond blick
Der Blick sagt alles: Die Action in Keine Zeit zu sterben ist nicht immer überzeugend. (Quelle: MGM)

Wenn man jetzt mal die Action außen vorlässt, gibt es in jedem Bond ja auch noch eine mehr oder weniger interessante Geschichte. Das neue bei den Filmen der Craig-Ära ist, dass sie zusammenhängen und jemand, der beispielsweise Spectre nicht gesehen hat, nur wenig in Keine Zeit zu sterben verstehen wird. Und auch die Liebschaften von James Bond sind sozusagen übergreifender Natur. In Casino Royale wurde seine große Liebe Vesper Lynd getötet, mit der Trauer hatte er noch im originell benannten Ein Quantum Trost zu kämpfen.

In Skyfall wurde er wieder zum abgeklärten Geheimagenten und hatte nur kurz Zeit für einen Flirt mit Moneypenny. Nix ernstes. Seit Spectre hat sich 007 aber wieder unsterblich verliebt, diesmal in ein Mitglied einer Verbrecherorganisation namens Madeleine Swann. Für mich ist diese, aber im Prinzip jede einzelne Liebschaft von Bond wenig überzeugend. Der Mann im schwarzen Anzug mag ja ein cooler Typ sein, dem jede Frau verfallen ist. Aber wenn es- glaubhaft- für mehr als nur einen One-Night-Stand reichen soll, dürften sich sowohl Bond als auch seine Liebschaften gerne mal mehr trauen.

Nicht nur in Keine Zeit zu sterben, auch schon in den vorherigen Filmen wirken die Liebesbeziehungen und damit verbunden natürlich dann auch die emotionalen Gründe für das Handeln von Bond wenig überzeugend. Es reicht ein Kuss, damit Bond und seine Geliebte als unzertrennliches Paar gelten. Das ist nicht nur schlecht geschrieben, sondern wird durch das teilweise in diesen Szenen überhebliche Schauspiel von Daniel Craig und, in diesem Fall, Lea Seydoux, nicht überzeugender.

Eine Sache, die Keine Zeit zu sterben in emotionaler Betrachtungsweise dann aber wieder hervorragend und, zumindest für die Bond-Filme, auch einzigartig macht, ist die aus der wenig glaubhaften Liebesbeziehung entstandene Tochter, die im Film als emotionaler
Ankerpunkt des Protagonisten zum Tragen kommt. Endlich geht es für James Bond um etwas. Endlich hat er etwas, für das es sich zu Kämpfen lohnt. Endlich wird Bond mal nicht nur als Alpha-Macho, sondern als liebender Vater dargestellt. Denn eine Frage, die der neue 007-Streifen im Laufe des Films ebenfalls aufwirft, lautet wie folgt: Warum macht Bond all das? Was ist seine Bestimmung? Hat er überhaupt eine Bestimmung? Und wenn ja, wie will er diese ausfüllen.

James Bond stellt sich in diesem Film der Frage, die viele Zuschauer sich wohl schon seit Tag eins stellen: Wenn nicht für eine Familie, für eine Tochter oder einen PAartner, wenn nicht für ein entspanntes Leben, für was dann setzt James jeden Film aufs neue sein Leben aufs Spiel? Oft war die Antwort auf diese Frage einfach: Um sich mit seiner kurz vorher kennengelernten Liebschaft zu vergnügen. Der Titel Keine Zeit zu sterben impliziert aber genau das Gegenteil: Bond hat keine Zeit, zu sterben, weil er Menschen hat, die ihm etwas bedeuten, für die es gilt, nicht zu sterben. Poetisch, aber nicht kitschig!

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Keine Zeit für einen guten Bösewicht

keine zeit zu sterben safin
Rami Malek verkörpert den Superschurken Safin. (Quelle: MGM)

Was ist bei einem guten Bond eigentlich noch essenziell? Na klar, ein guter Bösewicht! Ich erinnere mich gerne an Le Chiffre (Mads Mikkelsen) aus Casino Royale oder Silva (Javier Bardem) aus Skyfall, die ihre Rollen des klassischen Bond-Bösewichts wunderbar gespielt haben. Le Chiffre hat Bond eher leise und subtil in die Enge getrieben, während Silva extravagant und äußerst gesprächig war. Selbst Christoph Waltz als Ernst Blofeld hat mir noch gut gefallen, auch wenn dessen Pläne für den durch Daniel Craig geerdeten Bond wieder etwas zu „Over-the-Top“ waren.

Jetzt übernimmt ein weiterer Superstar aus Hollywood, nämlich Rami Malek (Mr. Robot, The Master) die Rolle des altehrwürdigen Erzfeinds. Doch diesmal haben es die Drehbuchautoren mit seiner Rolle übertrieben. Man hat ja schon seit Casino Royale eine kontinuierliche Steigerung des Ausmaßes an Vernichtungswahn mit jedem neuen Bond-Superschurken erkennen können. Aber mit Safin übertreibt man es (mal wieder?). Denn nicht nur will er gleich fast die gesamte Menschheit auslöschen, noch dazu hat er sich für diesen Plan auch noch eine klischeebeladene Superschurken-Insel ausgesucht.

Wie er das alles bewerkstelligen will, verrate ich aus Spoilergründen jetzt mal nicht. Nur soviel sei gesagt: Sein Plan ist mehr als nur unglaubwürdig, erst Recht für einen Bond-Film, der sich sonst eigentlich recht ernst nimmt. Da passt  dieser vollkommen überzeichnete, fast schon comichafte Schurke nicht ins Bild. Und ich übertreibe hier mit dem comichaften nicht. Denn es gibt beispielsweise einen Moment, in dem ich die gewollt verstellte Stimme von Rami Malek einfach nur noch lächerlich und übertrieben fand.

Das der Superschurke dann auch noch eine mehr als nur fadenscheinige und dünne Motivation für sein Handeln vom Drehbuch geschrieben bekommt, tut sein übriges. Aber auch dazu möchte ich natürlich für all diejenigen, die den Film noch nicht gesehen haben, nicht zu viel verraten.

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Niemand, außer Bond

Mittlerweile ist auch der Plot und die Handlung der Bond-Filme eigentlich nur noch abstrus und unnötig komplex. Aber in Keine Zeit zu sterben fällt das nochmal deutlicher auf. Spectre, die Geheimorganisation, die eigentlich die ganze Welt kontrolliert, findet kaum eine Erwähnung und auch die Pläne des Superschurken sind fragwürdig. Letztendlich drängen sich beim Schauen des Films langsam immer mehr Fragen auf, auf die der Streifen keine Antwort findet. Und dann bleibt eben am Ende nur noch eine Frage übrig: Wer hat hier eigentlich welche Pläne und warum?


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Um noch kurz auf die Vielzahl an Charakteren neben Bond einzugehen: Die haben in diesem Film eigentlich gar keinen Platz mehr. Niemand, außer Bond selbst, wird so ausgearbeitet, wie man es sich von einem anständigen Film wünscht. Q, der Techniknerd, ist lediglich für Slapstick zu gebrauchen. M und Moneypenny sind kaum mehr als Expositionsgeber und die neue 007-Agentin mehr nervig als cool. Einzig die von Ana de Armas gespielte Paloma und Bonds Geliebte haben mir als Charaktere noch gefallen. Paloma deswegen, weil sie einen gewissen Charme und Witz in den Film bringt, ohne dabei zu übertreiben. Und Madeleine Swann wegen ihrer Präsenz und ihrer teilweise hervorragenden Chemie mit James Bond.

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Fazit & Bewertung

Puh, es ist wirklich unglaublich schwierig, für diesen Film ein für mich befriedigendes Fazit zu finden. Denn im Herzen mochte ich den Film doch irgendwie. So wie jeden Bond-Film mit Daniel Craig. Sie bieten immer etwas Abwechslung vom sonstigen Action-Kino und begeistern mich mit ihrer Priese Coolness. Aber es gibt eben in Keine Zeit zu sterben viele, nicht zu leugnende Schwächen. Der Bösewicht hat eine oberflächliche und unglaubwürdige Motivation und hat noch dazu viel zu wenig Screentime. Die Action ist meist belanglos und gleicht sich immer mehr dem Mainstream-Action-Kino an. Selbst die Liebesbeziehung von Bond hinterlässt gemischte Gefühle.

Auf der anderen Seite hat der Film auch seine Stärken. Er ist im Kern immer noch unterhaltsam und zumindest für mich eine gelungene Abwechslung. Er hat seine starken Momente, er hat auch emotionale Szenen, die funktionieren. Aber das kann die Schwächen leider nicht ganz aufwiegen. James Bond ist noch lange nicht tot und vielleicht bringt ein Darstellerwechsel die dringend benötigten Impulse, um ein 50 Jahre altes Franchise zu revolutionieren. 2006 hat es ja schonmal geklappt.

Und ich würde trotz alledem jedem empfehlen, ins Kino zu gehen und sich selbst ein Bild zu machen. Gerade Bond-Fans dürften am Film ihren Gefallen finden. Für mich waren am Ende leider nur 2,5 Sterne drin, auch wenn der Film im Kern nicht schlecht ist. Es ist schwierig, dieses Gefühl, das der Film hinterlassen hat, in Worte zu fassen. Noch schwieriger ist es, dieses in ein Bewertungssystem einzuordnen.

Übrigens habe ich auch mal alle Bond-Filme mit Daniel Craig in ein Ranking gepackt, dass ihr hier lesen könnt. Und für alle, die jetzt mehr Lust auf eine Serie haben, können in meine Kritik zu Cruel Summer reinschauen. Wenn ihr den neuen Bond schon gesehen habt, könnt ihr mir gerne auch eure Eindrücke in den Kommentaren hinterlassen.

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© Copyright aller Bilder bei MGM.

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Lukas Egner

Ich bin der Gründer von filmfreitag und schaue leidenschaftlich gerne Filme und Serien aus jedem Genre. Ich bin 21 Jahre alt, studiere momentan Politik- und Medienwissenschaften und schreibe als freier Autor für verschiedene Film- und Videospielmagazine.

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3 Kommentare
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Torsten Peters
Torsten Peters
7. Februar 2023 10:35

Gute Kritik, sehe ich ähnlich. Leider sind die James Bond Filme in meinen Augen viel zu ernst geworden, was auch viel mit Daniel Craig und dem Film „Die Bourne Identität“ zu tun hat. Nach der Extravaganz und überbordenden Show voller Zitate und Gadgets, die Pierce Brosnan’s letzter Bondfilm gewesen ist, wollten die Produzenten 2006 mehr back to the roots und mehr down to earth sein und kopierten dabei den Stil der damals sehr erfolgreichen Jason… Weiterlesen »

Daphnis
Daphnis
24. Oktober 2021 15:32

Das deckt sich zu 100% mit meinem Empfinden. Herzlichen Dank für diesen sorgfältigen und fundierten Bericht!