Die finale Folge der Disney-Plus-Serie Obi-Wan Kenobi ist über die Bildschirme geflimmert und hinterlässt einen gemischten Eindruck. Die einen lieben die Serie, die andern können sie nicht ausstehen. Meine Kritik zur Serie lest ihr hier.
Lesezeit: ca. 8 Minuten
Um was geht’s?
Zehn Jahre nach den Ereignissen von Star Wars Episode 3 erzählt die neue Disney Plus Serie von den Abenteuern des ins Exil gegangenen Ex-Jedi Obi-Wan Kenobi. Was hat er zwischen Episode 3, wo wir ihn als Meister von Anakin Skywalker, dem späteren Darth Vader, zuletzt gesehen haben und Episode 4, wo er nach fast 20 Jahren im Exil mit der Ausbildung von Luke Skywalker beginnt, so getrieben? Die Miniserie will dieser Frage auf den Grund gehen.
Ewan McGregor kehrt als Obi-Wan Kenobi zurück, wir lernen eine junge Prinzessin Leia kennen und sogar Hayden Christensen schlüpft als Anakin Skywalker und Darth Vader in seine ikonische Rolle. Und trotz sehr viel Nostalgie und Fanservice schafft es die Disney Plus Serie zu keinem Zeitpunkt voll zu überzeugen. Lest in meiner Kritik, wieso.
Serienkritik zu Obi-Wan Kenobi
Nun ist es ja so, dass wir in den letzten Jahren durchaus viele neue Projekte aus dem Star Wars Universum entweder im Kino auf der großen, oder auf dem Sofa und der kleinen Leinwand zu sehen bekommen haben. Disney hat mit einer Sequel-Triologie, die nie eine klare Vision erkennen ließ, die Fan-Herzen gespalten, nur um sie dann mit den ersten beiden Staffeln von The Mandalorian wieder zu vereinen.
Eine finale Staffel von Star Wars: The Clone Wars wurde uns ebenso gegönnt wie The Bad Batch, einem geistigen Nachfolger zur Animationsserie. Und vor kurzem wurden auf der Star Wars Celebration nochmal kaum zählbare neue Serien, Filme und andere Projekte angekündigt. Die erste dieser Serien namens Andor startet bereits Ende August auf Disney Plus.
Und bei all der Euphorie über Neues aus einer weit, weit entfernten Galaxie habe ich mir, seit ich die erste Folge von The Book of Boba Fett, einer Spinoff-Serie zu The Mandalorian und jetzt eben Obi Wan Kenobi gesehen habe, eine Frage gestellt: Wozu gibt es all diese Serien überhaupt? All die neu angekündigten Formate werden aus der Sicht der unterschiedlichsten Charaktere erzählt.
Muss diese Geschichte wirklich sein?
Aber ist das, was da erzählt wird, auch erzählenswert? Nachdem ich jetzt alle sechs Folgen von Obi-Wan Kenobi gesehen habe, komme ich leider zu dem Schluss: Nein, nicht alles aus der weit entfernten Galaxies ist erzählenswert, erst recht nicht, wenn man merkt, wie gezwungen und unlogisch so manches in der neuen Serie ist. Aber der Reihe nach.
Obi-Wan Kenobi beginnt eigentlich erstmal recht interessant. Nach 10 Jahren im Exil erleben wir den namensgebenden Protagonisten der Miniserie auf Tatooine (wo auch sonst?), wo er untergetaucht ist und sein Leben jetzt als Fabrikarbeiter fröhnt. Als jedoch das Imperium in Form von Inquisitoren auch auf dem abgelegenen Wüstenplaneten nach Jedi sucht, die die Order 66 überlebt haben und ein alter Freund noch dazu um Hilfe bei der Suche nach seiner entführten Ziehtochter Leia Organa bittet, sieht sich Obi-Wan gezwungen, in ein neues Abenteuer aufzubrechen und seine Tarnung fallen zu lassen.
Und dann beginnt im Prinzip ein Katz-und-Maus-Spiel, bei dem Obi-Wan nach Leia sucht, sie findet und von dann wahlweise von Reva (Moses Ingram), einer der Inquisitoren oder gleich von Darth Vader höchstpersönlich gestellt und zum Kampf herausgefordert wird. Auf dieser galaxiesweiten Hetzjagd begegnet Obi-Wan-Kenobi dann noch zahlreichen Charakteren, die man alle spätestens nach der Folge, in der sie das erste Mal vorgekommen sind, wieder vergessen hat.
Oder erinnert sich jemand von euch an den X-Wing-Piloten, der in Folge vier während der Rettung der Hauptcharaktere ums Leben kommt? Der hatte tatsächlich einen Namen und noch in dieser und auch in der nächsten Folge wird um ihn getrauert. Aber wir als Zuschauer haben ihn längst vergessen, weil er uns weder wichtig ist noch überhaupt Zeit bekommt, sich vorzustellen. Und so geht es mit vielen anderen Charakteren in dieser Serie ebenso. Fast alle sind blass, kaum interessant geschrieben und verhalten sich in den meisten Szenen auch noch super dämlich.
Wenn der Hauptcharakter zum Nebensächlichkeit wird
Und selbst die vermeintlichen Protagonisten erleiden dieses Schicksal oft genug in dieser Disney-Produktion. Obi-Wan Kenobi ist in seiner eigenen Serie in vielen Fällen mehr ein Side-Charakter als der Hauptcharakter. Viel zu oft springt Leia besserwisserisch und mehr nervig denn unterhaltsam durchs Bild. Und von der Antagonistin namens Reva, die eine der Inquisitoren ist, die das Imperium auf die Jagd nach übriggebliebenen Jedi schickt, sollte ich gar nicht anfangen.
Deren Motivation bleibt den Großteil der Serie für den Zuschauer schleierhaft und wird gegen Ende hin dann recht unbefriedigend aufgelöst. Ihr gesamter Handlungsstrang basiert darauf, Obi-Wan zu töten. Und da der sich in vielen Szenen absolut dämlich verhält (Stichwort: Leia unter der Kapuze), sollte man meinen, dass das eigentlich ziemlich einfach sein sollte. Aber Reva ist augenscheinlich noch eine Stufe dümmer als Obi-Wan, denn irgendwie schafft sie es immer wieder, ihn entkommen zu lassen.
Und das hat mich als Zuschauer irgendwann nur noch frustriert zurückgelassen: Man soll das Imperium doch als Gefahr wahrnehmen, als faschistoiden Staat, dem alle Mittel zur Durchsetzung der Gewalt recht sind. Der auf eine riesige Streitmacht und viele mächtige Befehlshaber zurückgreifen kann. Und dieses Imperium schafft es nicht, einen alten Jedi und ein kleines Kind, dass sich unter seinem Umhang versteckt, mitten in ihrer eigenen Basis aufzuhalten?
Klar, Star Wars war nie realistisch. Stormtrooper sind bekannt dafür, ihr Ziel meist meilenweit zu verfehlen. Aber in dieser Serie werden Situationen vom Drehbuch geschrieben, die oben erwähnte Szenen erst entstehen lassen. Man könnte auch ein besseres Drehbuch bereitstellen, dann müsste ich mich darüber nicht aufregen. Aber in Obi-Wan Kenobi werden eben Szenen heraufgeschrieben, die so nicht funktionieren und dadurch sowohl die Protagonisten als auch die Antagonisten unglaubwürdig und oft sogar lächerlich machen.
Gebt den Drehbuchautoren mehr Geld!
Denn viele der Schauspieler, die für die Disney Plus Serie gecastet wurden, scheinen echt talentiert zu sein. Nur ist das Material, das sie zum Arbeiten bekommen, eben weit entfernt von guter Qualität. Ich frage mich immer wieder, wie es so große Konzerne und Filmstudios schaffen, auf der einen Seite unglaublich viel Geld für ihre Produktionen aufzubringen, aber gerade in die Abteilung, die mit zum wichtigsten gehört, was Filme und Serien ausmacht, nämlich den Drehbuchautoren, scheinbar kaum Geld zu stecken.
Dann kommen eben so oft Mega-Blockbuster dabei heraus, die zwar theoretisch wunderschöne Computereffekte, talentierte Schauspieler und einen einprägsamen Soundtrack haben, aber bei der Geschichte leider zu kurz kommen. Wo so viele Ressourcen vorhanden sind, könnte man doch meinen, dass in die Basis, auf der solche Film- und Serienprojekte basieren, eigentlich mehr Geld gesteckt werden müsste. Aber das ist oftmals weder bei Kino-Blockbustern noch den Franchise-Serien von Disney Plus bis Netflix der Fall.
Und das Problem weitet sich ja bei einem schlechten Drehbuch dann nur noch weiter aus: Stimmt das Drehbuch nicht, stimmt die Geschichte nicht. Stimmt die Geschichte nicht, stimmen die Dialoge meist nicht. Stimmen die Dialoge nicht, können die Schauspieler, nicht ihr volles Potenzial abrufen. Und mehr und mehr wird dann das sichtbar, was meiner Meinung nach auch für Obi-Wan gilt: Ist die Basis, also das Drehbuch und im weiteren Sinne dem sich anschließend die erdachte Geschichte, die erzählt werden soll, nicht gut, kann man noch so viel Geld in CGI stecken, man wird niemals eine Qualität über dem Mittelmaß abliefern.
Und Obi-Wan Kenobi ist im Prinzip genau das: Mittelmaß. Niemanden tut es weh, sich die Serie anzusehen. Aber auch niemand wird sich ärgern, wenn er sie nicht gesehen hat. Wo man bei guten Serien Charakterentwicklungen beobachten kann, sind Obi-Wan, Leia, Owen, Bail Organa und sogar Darth Vader am Ende der Serie genau da, wo sie auch am Anfang waren. Klar, das ist auch ein wenig der Tatsache geschuldet, dass man hier eine Geschichte erzählen muss (?), die sich im Rahmen zweier Filme abspielt. Und diese Filme geben natürlich vor, wo sich welcher Charakter befinden muss.
Traut euch was!
Umso mehr stellt sich mir die Frage, warum sich Disney mit der Star Wars Lizenz nicht mal mehr traut. Immer und immer wieder steckt man sich selbst Rahmenbedingungen, die auch die Geschichte dementsprechend erfüllen muss. Warum nicht mal in eine andere Zeitspanne blicken? Warum muss alles, was zu Star Wars erscheint irgendwo zwischen der Zeit der Republik und der Zeit des Imperiums spielen?
Ich könnte jetzt noch sehr viel länger über die Probleme des Drehbuchs von Obi-Wan Kenobi schreiben, dass meiner Meinung nach der Hauptgrund dafür ist, dass sich die Miniserie so mittelmäßig und nichtssagend anfühlt und gleichzeitig von Plot- und Charakterproblemen durchsiebt ist. Aber um die Kritik in Grenzen zu halten, will ich abschließend noch ein paar Sätze zur technischen Seite der Serie ansprechen.
Nicht mal die Technik stimmt
Denn, und das hat mich überrascht, nicht einmal auf technischer Ebene kann Obi-Wan Kenobi vollends überzeugen. Für mein Empfinden beispielsweise sahen einige der Sets zu sehr nach plastischen, am Computer generierten Hintergründen aus. Alderaan etwa wirkt, obwohl eine riesige Stadt, kaum bewohnt. Die Basis der Inquisitoren sieht generisch aus. Und selbst Tatooine, der Wüstenplanet, der wie wenig anderes für Star Wars steht, hat schon bessere Tage erlebt. Die einzelnen Sets wirken eben genau wie das, was sie sind: Sets.
Kostüme und Make-Up sind zweckmäßig, daran gibt es eigentlich nichts auszusetzen. Und die Musik ist gewohnt gut, auch wenn sie nicht ganz an die Qualität des orginalen Star Wars Soundtracks von John Williams herankommt. Aber gibt es nach so viel Negativität eigentlich auch noch etwas gutes über Obi-Wan Kenobi zu sagen?
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Ja, denn genau wie alles andere hier auf diesem Blog ist dieser Beitrag meine Meinung. Viele Star Wars Fans sind durchaus zufrieden mit der Disney Plus Serie. Und das freut mich für die Fans. Auch ich habe in einigen Momenten von Obi-Wan-Kenobi etwas gefühlt, auch wenn es die Serie kaum zulässt. Darth Vader etwa zeigt hier wieder einmal, warum er der beste Bösewicht in der Filmgeschichte ist. Er wird immer, ausnahmslos immer gefährlich, kalkulierend und über allen anderen stehend inszeniert. Obi-Wan als Charakter ist einer der wenigen, die in dieser Serie funktionieren.
Das liegt aber vor allem an der Vorlage aus Episode 3 und 4 und natürlich an Ewan McGregor, der wie für die Rolle geboren scheint. Und ja, selbst die Kinderdarsteller, allen voran Leia (Vivien Lyra Blair) haben mich größtenteils überzeugt. Nicht nur sehen sie aus wie ein jüngeres Ich der ikonischen Helden, sie verhalten sich ganz oft auch ganz ähnlich. Trotz all seiner Probleme hat die Miniserie rund um Obi-Wan Kenobi also auch seine Stärken und vereinzelte Lichtblicke. Sehenswert ist sie trotzdem nur sehr bedingt.
Fazit & Bewertung
Die neue Disney Plus Serie Obi-Wan Kenobi wirkt wie ein Produkt. Angefangen bei der Geschichte, die wie ein fahles Korsett wirkt, dass eben her musste, um darin ein paar ikonische Charaktere zu zwängen, die doch bitte jetzt sofort ein Abenteuer erleben müssen! Schließlich ist man ja nicht zum Nichtstun ins Exil gegangen, oder?
Auch die Technik von Obi-Wan Kenobi wirkt an manchen Stellen erschreckend wenig qualitativ. Einzig ein paar Fanmomente und die Inszenierung von Darth Vader machen aus einer Vollkatastrophe dann doch noch eine immerhin mittelmäßige Fernsehserie, die aber weder neues zu erzählen hat noch durch mutiges Drehbuchschreiben auffällt. Wie schon im Titel geschrieben: Obi-Wan Kenobi ist bedeutungslose Mittelmäßigkeit, um den Streamingdienst eines Milliardenkonzerns attraktiv zu halten. Nicht durch Qualität, sondern durch Quantität.
Star Wars: Obi-Wan Kenobi läuft seit 18.05.2022 auf Disney Plus.
© Copyright aller Bilder bei Disney.
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…weil die Drehbuchautoren halt nichts bezahlt bekommen. Das ist systembedingt.
z.B. weiß jeder in Deutschland, dass man nicht in der Pflege arbeiten sollte. Man verdient dort einfach nichts und wird ausgenutzt. 100% der Bevölkerung weiß das, dennoch wird sich das nie, niemals ändern. Genauso mit Drehbuchschreibern. Die stehen in der Hierarchie ganz unten. Welches weltverändernde Ereignis sollte es geben, damit sich das plötzlich ändert? Das ist einfach Gesetz der Physik.
Du hast natürlich recht und das ist leider furchtbar schade! Allerdings hängt es nicht nur am Gehalt, das Drehbuch wird bei solchen Produktionen, wie ich ja auch geschrieben habe, meiner Vermutung nach als „nötiges Übel“ behandelt. Heißt, man macht sich zunächst Gedanken (ganz oben in der Hierarchie), an welchen Schauplätzen die Charaktere sein sollen, welche Kämpfe es geben wird und, ganz wichtig, wo wann wie ein Fanservice-Moment eingebaut werden soll. Erst dann beauftragt man die… Weiterlesen »
Eine in allen angesprochenen Aspekten sehr gelungene und aus meiner Sicht absolut zutreffende Kritik!
Danke für deinen netten Kommentar!