Red Notice Filmkritik: Überraschend mittelmäßig

Red Notice, die neue Spionage-Comedy aus dem Hause Netflix mit Starbesetzung wurde weltweit von Kritikern bereits abgestraft. Als ich mir den Film angesehen habe, fand ich ihn jedoch überraschend mittelmäßig, wenn auch weit entfernt von gut.

Lesezeit: ca. 6 Minuten

Um was geht’s?

In Red Notice geht es um die Jagd nach den drei Eiern der Kleopatra. Das sind antike Artefakte von unschätzbarem Wert. Als ein Kunstdieb, gespielt von Ryan Reynolds (Deadpool, Free Guy), versucht, eines der Eier zu stehlen, wird er dabei von einem FBI-Agenten namens John, gespielt von Dwayne Johnson (Fast & Furious, Jumanji), aufgehalten. Als das mittlerweile konfiszierte Ei jedoch ein weiteres Mal abhanden kommt, wird auch John beschuldigt und beide landen im Knast in Russland.

Im weiteren Verlauf müssen die zwei unterschiedlichen Charaktere irgendwie zusammenarbeiten, um zum einen die Unschuld von John zu beweisen, zum anderen aber auch, um das verloren geglaubte dritte Ei von Kleopatra in die Finger zu bekommen. Und als hätten sie nicht schon genug Probleme, legt ihnen auch noch eine konkurrierende Kunstdiebin, gespielt von Gal Gadot (Wonder Woman, Fast & Furious) Steine in den Weg.


Filmkritik zu Red Notice

Was kommt dabei raus, wenn man drei lupenreine Narzissten wie Dwayne Johnson, Ryan Reynolds und Gal Gadot in einen Film packt? Natürlich ein Film über genau die drei. Denn sie spielen die gesamte Lauflänge von Red Notice über eigentlich keine vom Drehbuch geschriebenen Charaktere, sondern sich selbst. Dwayne Johnsons Charakter besticht, wie alle seine anderen bisher gespielten Charaktere aus anderen Filmen, mit einem hölzernen, auf cool getrimmtem Schauspiel und ein paar One-Linern.

Ryan Reynolds Charakter fällt ebenfalls durch die ermüdend häufige Verwendung von One-Linern auf und haut noch dazu so unglaublich oft Witze raus, dass er im Prinzip als Deadpool durchgehen würde. Und Gal Gadot spielt die taffe Kunstdiebin, die natürlich immer irgendwie geheimnisvoll und unnahbar daherkommt und ebenfalls eher wie eine Wonder Woman 2.0 als ein eigenständiger Charakter wirkt. Und das wird dem Film an vielen Stellen zum Verhängnis, denn auch der Zuschauer merkt schnell, dass wir es hier nicht mit echten Menschen zu tun haben, sondern mit Abziehbildern von Schauspielern, deren einzig vernünftig spielbaren Rollen sie selbst sind.

Das wird zum einen durch das Drehbuch überhaupt nicht verhindert, weil es ja genau diese Nicht-Charaktere schreibt. Zum anderen wird die Unglaubwürdigkeit, dass wir es hier mit echten Menschen zu tun haben, durch stumpfe Emotionen und wirklich uninteressante Hintergrundgeschichten zu den Charakteren noch verstärkt. Denn natürlich hatten Dwayne Johnsons und Ryan Reynolds Charaktere eine schwere Kindheit und der Vater war auch noch gemein. Aber statt in diese Geschichten tiefer einzusteigen, werden sie nur oberflächlich angerissen und später im Film eigentlich nur noch als Witz-Vorlagen gebraucht. Das verhindert, dass wir die vielen Situationen, in denen die Charaktere in Gefahr sind als echte Gefahr wahrnehmen. Vielmehr sind uns als Zuschauer alle drei Charaktere ziemlich egal und könnten leicht ausgetauscht werden.

Klar, ich erwarte von einem massentauglichen Netflix-Blockbuster keine tiefgründigen Charakterstudien, aber etwas mehr Tiefe hätte den Figuren nicht geschadet. Denn wie gesagt, man hat zu keinem Zeitpunkt in Red Notice das Gefühl, dass auch nur irgendeine Gefahr für die Protagonisten besteht. Es scheint nie wirklich um etwas zu gehen, weil alle drei Figuren wie Abziehbilder ohne Charakter wirken. Dadurch kommt auch nie Spannung auf, auch wenn der Film das durch die einsetzende dramatische Musik suggerieren will.

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Ein Bierdeckel-Plot

red notice netflix

Zwei Menschen, die nicht unterschiedlicher sein könnten und eine mysteriöse Diebin jagen einem sagenumwobenen Ei hinterher und werden dabei vor teils lächerliche Herausforderungen gestellt. Das ist ein Plot, den man so schon zu genüge aus Hollywood kennt. Meist funktionieren diese Filme für ein bestimmtes Publikum, weil sie leichte Unterhaltung ohne zweite Ebene bieten und dazu noch ein bisschen Action beinhalten. So ist es auch bei Red Notice.

In seiner Struktur ist der Film unterhaltsam, wir werden von einem actiongeladenen Moment in den nächsten geworfen. Die beiden Protagonisten, gespielt von Dwayne Johnson und Ryan Reynolds haben eine recht gute Chemie und werfen sich die Witzchen hin und her. Trotzdem passt der Plot eigentlich auf einen Bierdeckel. Denn Red Notice konzentriert sich auf ein Plotelement, nämlich die Jagd nach den Eiern. Und dass diese Eier natürlich ein McGuffin sind, also ein Objekt, dass eigentlich nur dazu da ist, die Handlung des Films voranzutreiben, ist selbst den beiden Hauptfiguren bewusst. Zum Ende hin scherzt Ryan Reynolds sogar über eben jenes Plotelement, als ihm auf der Suche nach dem letzten Ei die Aussage „Such nach einer Kiste, auf der McGuffin steht“ über die Lippen gleitet.

Man merkt, der Film nimmt sich nicht besonders ernst. Und das ist auch gut so. Denn für einen Filmabend, an dem man einfach mal das Hirn ausschalten und einen unterhaltsamen Film schauen will, eignet sich solch ein Bierdeckel-Plot natürlich perfekt. Hätte sich Red Notice zu ernst genommen, würde das schnell zu verwunderten und hinterfragenden Gedanken beim Zuschauer führen. Denn der Film hat echt einige Logiklöcher und eine absolut unglaubwürdige Plot-Convenience.

Da ist es schon mal ganz einfach, aus einem Hochsicherheitsgefängnis in Russland auszubrechen. Oder der Bösewicht schießt ganz zufällig die Handschellen, mit denen die Protagonisten gefesselt sind, auf, als er versucht, auf sie zu schießen und sie natürlich nicht trifft. Und was mich auch ziemlich genervt hat waren die vielen plötzlichen Auftritte der Polizei oder von Gal Gadot. Denn die erscheinen in den unglaubwürdigsten Momenten immer genau dort, wo sie der Plot braucht.

Sobald man irgendetwas in diesem Film hinterfragt, bricht alles in sich zusammen. Deswegen muss man seine Erwartungshaltung anpassen und genau wissen, worauf man sich einlässt. Denn dann kann Red Notice durchaus eine Menge Spaß machen.

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Sprunghaft um die halbe Welt

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In Red Notice reisen wir um die halbe Welt, auch wenn das für die Handlung nur wenig Sinn macht. (Quelle: Netflix)

Direkt am Anfang von Red Notice ist mir schon aufgefallen, wie sprunghaft der Film ist. Da wird innerhalb von Sekunden von einem Ort der Welt an den nächsten gewechselt. Die Orts- und vor allem Zeitsprünge sind jedoch unglaublich willkürlich und machen für die Handlung wenig Sinn. Man wollte scheinbar möglichst viele Locations in einen Film pressen, damit sich alles mehr nach James Bond anfühlt. Das tut es aber zu keiner Zeit.

Denn die einzelnen Setpieces unterscheiden sich stark in ihrer Qualität. Es gibt ein paar Highlights, wie etwa ein Ballsaal, der das beste aus James Bond und Mission Impossible vereint oder eine geheime Nazibasis im Dschungel, die schon sehr an Indiana Jones erinnert hat. Genauso oft kann man aber auch offensichtlich erkennen, dass vor einem Greenscreen gedreht wurde. Obwohl der Film laut Netflix 200 Millionen Dollar gekostet hat, ist das CGI in vielen Szenen wirklich schlecht. Das kann man nicht schön schreiben. Es ist wirklich oft einfach schlecht. Und alle, die den Film gesehen haben, wissen bestimmt, wovon ich rede (Stichwort: Stierarena).


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Auch die Action ist unterschiedlich gut. In seinen besten Momenten erzeugt Red Notice fantastische Bilder. Etwa, wenn alle drei Hauptfiguren vor einer roten Wand gegeneinander kämpfen und man nur ihre Silhouette erkennen kann. In anderen Momenten wirkt die Action wie aus einem schlechten Videospiel. Da stimmt dann die Lichtsetzung nicht, die Szenen sind komplett zerschnitten oder erzeugen keinerlei Wucht, weil sie eben doch nur aus dem Computer stammen.

Es ist ein Auf und Ab. In seinen besten Momenten kann Red Notice meiner Meinung nach mit großen Spionagefilmen ala Mission Impossible mithalten und würzt das ganze dann noch mit einem mal mehr, mal weniger gelungenen Humor. In seinen schlechtesten Momenten ist Red Notice aber das schlimmste, für das das Hollywood-Mainstreamkino bekannt ist.

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Fazit & Bewertung

Man merkt, dass Red Notice recht risikofrei produziert wurde. Man wollte einem möglichst großen Publikum gefallen. Und das hat- schaut man nur auf die Zahlen- auch geklappt. Denn der Film ist wohl der erfolgreichste Netflix-Film aller Zeiten, zumindest geben das die Darsteller auf ihren Social-Media-Kanälen ganz stolz bekannt. Und er funktioniert auch, wenn man weiß, worauf man sich einlässt. Er bietet recht plumpe Action, ein Darsteller-Trio, dass recht gut funktioniert und einen „Gehirn-aus“-Plot.

Auf der anderen Seite zeigt sich aber auch die Verfahrenheit und Kalkuliertheit von Hollywood: Der Film geht keinerlei Risiken ein, er ist ein klassischer High-Concept-Film, der auf große Stars setzt und dabei niemanden vor die Füße treten will. Auch die Computereffekte sind oft nicht gut und der Fakt, dass offensichtlich viele Aufnahmen vor dem Greenscreen im Studio entstanden sind, hinterlässt einen bitteren Beigeschmack, weil man bei einem so teuren Film mehr erwartet. Da ist wohl ein Großteil des Budget für die Darsteller draufgegangen. Auch der Plot passt auf einen Bierdeckel und bietet wenig Neues. Und die Charaktere sind eigentlich keine. Dwayne „The Rock“ Johnson, Ryan Reynolds und Gal Gadot verkörpern vielmehr eine Idealversion von sich selbst.

Also: Für wen ist der Film? Ich würde sagen, für alle, die zum einen die Schauspieler mögen und zum anderen auf einen anspruchslosen, aber irgendwie unterhaltsamen Spionagefilm mit mehr oder weniger funktionierendem Humor Lust haben. Red Notice ist sicher kein guter Film. Aber so schlecht, wie er von der internationalen Kritik gemacht wird, ist er auch nicht.

Wer jetzt eher Lust auf einen anspruchsvollen und trotzdem unterhaltsamen Film hat, für den ist Dune das richtige. Meine Kritik dazu gibt’s hier. Und auch Wes Andersons neuer Film The French Dispatch ist richtig gelungen, wie ich hier festgehalten habe.

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Red Notice läuft auf Netflix.

© Copyright aller Bilder bei Netflix.

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Lukas Egner

Ich bin der Gründer von filmfreitag und schaue leidenschaftlich gerne Filme und Serien aus jedem Genre. Ich bin 21 Jahre alt, studiere momentan Politik- und Medienwissenschaften und schreibe als freier Autor für verschiedene Film- und Videospielmagazine.

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2 Kommentare
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Uwe
Uwe
19. November 2021 17:25

Der Artikel ist genauso ein Schwachsinn wie die meisten sog Kritiker. Und deswegen sage ich mal ganz provokativ, wo kein Hirn, da ist auch nichts auszuschalten. Schade das manche denken die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Der Film unterhält, und macht somit was er soll. Aber die Leute da draußen sind ja, so lese ich zwischen diesen bescheuerten Zeilne, blöd. Und Netflix weiß das. Pustekuchen. Nur weil ner Handvoll Pseudos der Film nicht gefällt… Weiterlesen »