Die neue Netflix-Serie Wednesday bricht beim Streamingdienst Rekorde: Nicht nur reiht sie sich in die meistgesehenen Shows zu Stranger Things ein. Auch die sozialen Medien sind voll von Lobpreisungen und viel Begeisterung, vor allem für die junge Hauptdarstellerin Jenna Ortega. Warum die Serie das neue Harry Potter werden könnte, erfahrt ihr in meiner Serienkritik!
Lesezeit: ca. 6 Minuten
Um was geht’s?
Die junge Wednesday Addams (Jenna Ortega) ist anders als viele ihrer Mitschüler. Immer im stylischen Goth-Gewand gekleidet hat sie an ihrer Schule kaum Freunde und gilt als Außenseiterin. Und weil sie ihren kleineren Bruder, der immer wieder gehänselt wird, aus der Patsche helfen will, lässt sie Piranhas im Becken der Schwimmmannschaft los.
Das geht natürlich gar nicht und Wednesday fliegt von der Schule. Ihre Eltern Morticia (Catherine Zeta-Jones) und Gomez (Luis Guzmán) beschließen sie deshalb an eine Schule für besondere Kinder zu schicken: Die Nevermore High, an der es neben Guhlen auch von Werwölfen und Vampiren nur so wimmelt.
Und schon kurz nachdem sie auf der neuen Schule ankommt, wird sie auf ein mysteriöses Monster aufmerksam, dass im Wald nebenan Leute umbringt. Für die junge Guhlin wird das definitiv kein Schuljahr wie jedes andere.
Die Netflix-Serie basiert dabei übrigens auf der „Addams Family“, die schon in den 90ern von Tim Burton ins Leben gerufen wurde. Das ist eine Guhl-Familie mit ein paar sehr skurillen Artgenossen. Trotzdem kann man die Serie auch ohne Weiteres schauen, ohne einen der Filme gesehen zu haben.
Wednesday: Eine Faszination wie Harry Potter?
Wer jetzt vom Titel dieses Artikels darauf schließt, dass uns hier das nächste Harry Potter erwartet, liegt gar nicht mal so falsch: Die Ausgangslage ist sehr ähnlich, nur die Protagonistin Wednesday ist glänzlich anders als der allseits beliebte Zauberer.
Nicht nur optisch trägt sie eigentlich immer schwarz, auch charakterlich ist die junge Nevermore-Schülerin zunächst sehr zurückgezogen. Ihre künftige Zimmergenossin Enid (Emma Myers) beispielsweise würdigt sie bei der Begrüßung keines Blickes. Auch ihre Eltern scheinen ihr relativ egal zu sein.
Und damit nicht zu viel Farbe in ihr Leben kommt, wird die Hälfte des Zimmers, das sie sich mit Enid teilt, von kunterbunten Regenbogenfarben befreit und in dunkles Schwarz gehüllt. Danach sieht ihre Hälfte des Zimmers wie eine düstere und unheimliche Bude mit Schreibmaschine aus.
Diese Charakterzüge von Wednesday, ihre Verschlossenheit und gleichzeitig der bitterböse Sarkasmus, der immer dann zum Vorschein kommt, wenn sie mit anderen Menschen redet, ist keinesfalls unglaubwürdig, sondern passt perfekt zum Ambiente und der Inszenierung ihres Charakters.
Der wandelt sich im Laufe der Serie übrigens überraschend langsam, bis zum Ende bleibt Wednesday ihren Prinzipien treu. Würde man das in anderen „Coming-of-Age“-Serien vielleicht kritisieren, ist es hier überhaupt nicht störend. Denn vordergründig ist die Serie nicht die tausendste Highschool-Teenager-Show, sondern eine geniale Horrorkomödie von Tim Burton (Sleepy Hollow, Beetlejiuce).
Jenna Ortega brilliert in ihrer Rolle
Eine Sache, die die Serie fast schon allein tragen könnte, ist der Charakter von Wednesday Addams und ihre Schauspielerin! Jenna Ortega macht einen hervorragenden Job in ihrer Rolle als immer bitterbös sarkastische und ziemlich zwielichte Figur im Assemble an Schauspielern. Und das obwohl die junge Frau gerade einmal 20 Jahre alt ist und erst dieses Jahr ihren richtigen Durchbruch mit den Horrorfilmen X (meine Kritik gibt’s hier) und Scream 5 hatte.
Auch Tim Burton weiß natürlich, was er tut und hat Wednesday perfekt auf Jenna Ortega zugeschrieben. Aber der Horrorkomödien-Meister schafft es auch, alle anderen Charaktere interessant aufzubereiten. Die etwas naive, aber im Grunde unglaublich loyale Zimmergenossin von Wednesday, Enid etwa wächst uns als Zuschauer schnell ans Herz.
Auch die Schulleiterin Larissa kann überzeugen. Sie wird von Gwendoline Christie gespielt, die wir zuvor vor allem aus Game of Thrones als Brienne von Tarth kannten. Und der Rest der Addams-Familie ist wunderbar schrullig und dabei gleichzeitig mysteriös und geheimnisvoll.
Eine Welt im Aufbau
Wer, so wie ich, noch nie einen Berührungspunkt mit der Addams-Family hatte, der wird sich in der neuen Netflix-Serie trotzdem schnell zurechtfinden. Vorwissen wird eigentlich nicht benötigt. Aber die Welt, die Tim Burton rund um die Nevermore High und die naheliegende Stadt Jericho aufbaut, ist schon jetzt rätselhaft und faszinierend.
Fast wie in Harry Potter werden wir in eine fremde Welt voller mytischer Wesen transportier, die aber trotzdem irgendwie in unserer echten Welt leben. Die vielen Charaktere, die Wednesday auf ihrer Reise kennenlernt, erweitern das Universum immer stichhaltig.
Und trotzdem bleibt für uns als Zuschauer noch so viel im Verborgenen. Hier kann eine zweite Staffel wunderbar anknüpfen. Wie bei Harry Potter auch wird sich diese Welt erst nach und nach vollends entfalten.
Der stimmige Mix aus Teenager-Drama und Horrorkomödie funktioniert fast perfekt: Auf der einen Seite erleben wir Wednesday, die sich ihren Mitschülern durch ihre Nachforschungen zum rätselhaften Monster immer mehr öffnen muss. Die Chemie der einzelnen Charaktere ist dabei herausragend. So sind Wednesday und Enid eigentlich das genaue Gegenteil von einander.
Und trotzdem funktioniert ihre Chemie durchgehend großartig und es ist eine Freude, die beiden Schauspielerinnen vor dem Bildschirm zu sehen. Auf der anderen Seite kommt auch der gewohnt schwarze Humor und die bitterböse Satire, hier vor allem aus dem Mund von Wednesday Addams, nicht zu kurz. Also auch Fans von Tim Burton kommen auf ihre Kosten.
Die Monster könnten „schöner“ sein
Tim Burton war ja auch schon immer für seine skurillen Monsterdesign bekannt. Von Edward mit den Scherenhänden bis Beetlejuice und Corpse Bride ist die Liste da sehr lang. Auch in Wednesday gibt es das ein oder andere Monster.
Die sind hier aber leider alles andere als gut gelungen. Solange man sie nur im Schatten, aus der Ferne oder in Bildern sieht, wirken sie stimmig und vor allem richtig gruselig. Allerdings sieht man beispielsweise das „Hauptmonster“ schon relativ früh in der Handlung in seiner vollen Pracht.
Und bei dem Anblick werden sich viele Zuschauer gedacht haben: Das Monster ist eindeutig aus dem Computer! So sieht es nämlich auch aus. Und das ist schade, weil wir von Tim Burton einfach mehr und besseres gewohnt sind. Auch die Entscheidung, das Monster schon relativ früh und dann auch noch in toll ausgelichteter Szene zu zeigen, ist falsch.
Der Horror in guten Horrorfilmen kommt nicht daher, dass wir das grauselige Monster schon kennen und genau wissen, wie es aussieht. Der Horror kommt in unserer Psyche zustande! Denn die kann viel bessere Monster erschaffen, als es irgendein Computer jemals tun könnte.
Das man das Monster schon so früh zeigt, ist ebenfalls ein Fehler: Wie Hitchcock schon wusste, kommt der beste Horror durch Suspense zustande. Der Zuschauer weiß also lange Zeit nicht, was ihn erwartet. Aber er weiß, dass ihn etwas erwartet. Das Monster ist da, aber wir kennen es nicht. Umso gebannter sitzt er dann über die gesamte Lauflänge eines Films oder einer Serie vor dem Bildschirm.
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Mysteriöses geht hier vor, fast wie in Stranger Things
Das an der Schule, auf die Wednesday geschickt wird, so einiges nicht stimmt, wird schnell klar. Aus der Handlung, die wie jede x-beliebige Highschool-Serie beginnt, entspinnt sich schnell eine mysteriöse Detektivgeschichte.
Was will das Monster, warum hat es getötet? Wer steckt hinter ihm und warum wirken fast alle an der Nevermore High so, als wüssten sie mehr als Wednesday? Das alles wird nach und nach aufgedeckt. Die Mischung aus Mystery-Serie und Teenager-Drama erinnert dabei stark an Stranger Things, in dem es einige Jugendliche auch mit einer scheinbar übernatürlichen Macht zu tun bekommen und das Mysterium dann nach und nach aufdecken.
Der Cast, auch abseits von der grandiosen Jenna Ortega jedenfalls hat auch für weitere Staffeln das Potenzial, eine echte Konkurrenz zu Elf und ihren Freunden aus Stranger Things zu werden. Nur das hier in Wednesday alles etwas erwachsener und düsterer wirkt.
Fazit & Bewertung
Auch der Soundtrack in Wednesday kann überzeugen. Dafür hat Jenna Ortega angeblich sogar gelernt, mit dem Cello zu spielen. In einer Szene jedenfalls wirkt es so, als wäre die junge Schauspielerin der neue Mozart. Insgesamt reiht sich die Netflix-Show damit zu den sehr guten Serien auf der Streamingplattform ein.
Wer eine Mischung aus Harry Potter und Stranger Things erwartet, wird voll auf seine Kosten kommen. Wer ein Fan von Tim Burton ist oder auf gruselige Detektivgeschichten steht, wird ebenfalls nicht enttäuscht. Einzig das Monsterdesign hätte besser gemacht werden können.
Aber das ist meckern auf hohem Niveau. Wednesday hat sich den Hype, den die Serie momentan erlebt, auf jeden Fall verdient. Und Jenna Ortega ist damit jetzt bestimmt auch auf dem Schirm der großen Hollywood-Studios. Was sagt ihr zur Serie? Schreibt das gerne mal in die Kommentare!
Wednesday behält den Charme der Werke von Tim Burton bei und glänzt durch die düstere und bitterbös sarkastische Hauptdarstellerin. Aber auch die Welt und die Charaktere, die hier aufgebaut werden, haben Potenzial für viele weitere Staffeln.
Bewertung:
4,5
Wednesday kann seit 23. November auf Netflix gestreamt werden.
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Die Serie ist eine angenehme Überraschung und nicht allzu überdreht wie noch die Filme. Da den richtigen Ton zu treffen muss schon eine Herausforderung dargestellt haben. Und die Geschichte ist ja schon sehr alt. Die Addams Family stammt aus Comic strips der 30er Jahre, es gab eine Fernsehserie in den 60ern und in den 90ern hat Barry Sonnenfeld (nicht Tim Burton) zwei sehr erfolgreiche Filme gedreht. Burton war damals angefragt, hat sich aber dagegen entschieden.… Weiterlesen »
Als Erwachsener bin ich eher zwiegespalten: die Serie lässt sich gut schauen und man wird nicht enttäuscht. Aber es bleibt so unfassbar viel auf der Strecke liegen. Das Storytelling ist gewissermaßen bereits von Beginn an auserzählt, funktioniert trotzdem ganz ok. Man muss sich aber bei vielen Entscheidungen der Charaktere schon fragen, warum sie so unfassbar dumm und geschrieben entscheiden. Insgesamt finde ich, merkt man, dass ein schneller Erfolg über mehr Charaktertiefe und Sinnhaftigkeit gestellt wurde.… Weiterlesen »
Anscheinend sind die Probleme tatsächlich im ständigen Ringen um den richtigen Ton zu finden. Die Produktion scheint ein Tauziehen gewesen zu sein und Tim Burton müsste für viele seiner Ideen kämpfen. Das merkt man der Serie tatsächlich an, da vieles noch nicht ganz rund ist. Vielleicht ist Staffel zwei dahingehend konsistenter, da die Hauptarbeit nun getan ist. Kann eigentlich nur besser werden.